Die Klage der FPÖ könnte erstmals zu einer genauen Offenlegung von Wahlkampfkosten beitragen. Auch die Funktion der Wahlbeisitzer sollte aufgewertet werden.
Die FPÖ hat die Republik auf 3,4 Millionen Euro geklagt. Für die Wiederholung und Verschiebung der Bundespräsidentschaftsstichwahl 2016 wurde eine Amtshaftungsklage eingereicht, „weil die Organe der Republik versagt haben“ und damit einhergehende Mehrkosten im Wahlkampf verbunden waren.
Der VfGH begründete die Wahlaufhebung 2016 damit, dass erstens die Auswertung der Briefwahlstimmen in 14 Stimmbezirken rechtswidrig vorgenommen wurde, und zweitens dass die Übermittlung von (Teil‐)Ergebnissen der Wahl an ausgewählte Empfänger durch die Bundeswahlbehörde vor Wahlschluss gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl verstoßen hat. Zudem wurde eine Verschiebung der zu wiederholenden Stichwahl auf Grund fehlerhafter Überkuverts der Wahlkarten notwendig.
Sicherer Rechtsstatus von Beisitzern
Österreichische Wahlbeobachter fordern seit 2016, dass die in der Verfassung vorgesehene Funktion der Wahlbeisitzer durch berufliche Rechtssicherheit, verpflichtendes Training und einheitliche, faire Entschädigung aufgewertet wird. Durch eine Öffnung des Beisitzes über Parteien hinaus könnte das Amt attraktiver gestaltet werden und die Zivilgesellschaft – inklusive Jungwähler – verstärkt in den Wahlprozess eingebunden werden.
Vor allem bedarf es eines sicheren Rechtstatus von Wahlbeisitzern. Es kommt nicht anhin, dass ehrenamtliche Beisitzer, wie im Ö1-Frühjournal am 11. Dezember angesprochen, für Regressforderungen der Republik belangt werden können. Die Kosten der Wahlwiederholung – zumindest geschätzte 15 Millionen Euro sowie die nun eingeklagten 3,4 Millionen Euro – zeigen auf, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Berichten von Wahlbeobachtern und deren Empfehlungen notwendig und sinnvoll wäre.
Wiederholte Verbesserungsvorschläge
Bereits nach der Bundespräsidentschaftswahl 2010 sprach die Beobachtungsmission der OSZE/ODIHR folgende Empfehlung aus: „Im Hinblick auf die Bedenken hinsichtlich möglichen Missbrauchs von Wahlkarten sollte in Erwägung gezogen werden, die Verteilung, Retournierung und Aufbewahrung der Wahlkarten strenger zu gestalten, um den Missbrauch eines derzeit zu einem erheblichen Ausmaß auf Vertrauen beruhenden Systems zu verhindern.“
In der Wahlgesetznovelle 2011 beschloss die Regierung lediglich, dass Wahlkarten bis Wahlschluss am Sonntag eingelangt sein müssen. Darüber hinaus änderte sich bei der Wahldurchführung wenig. Die Verbesserungsvorschläge der OSZE wurden in Folgeberichten zu den Wahlen 2013, 2016 und 2017 wiederholt vorgebracht. Nur zwei dieser 44 OSZE-Empfehlungen wurden bisher vollständig und fünf teilweise umgesetzt.
Kein verpflichtendes Training
Der VfGH hat 2016 festgestellt, dass Beisitzern eine „eminente Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des österreichischen Wahlsystems“ zukommt. Parteien erhalten pro Wahlbeisitzer einen festen Betrag, der jedoch nicht immer und oft nur zum Teil in Form von Verpflegung an die Wahlbeisitzer weitergegeben wird. Gemeinden zahlen dazu weiterhin unterschiedliche Aufwandsentschädigungen für Wahlbeisitzer, etwa bis zu 70 Euro in Innsbruck. Das Training von Beisitzern wird, falls überhaupt, zumeist von Parteien durchgeführt. Aufgrund der derzeitigen Rechtslage können die Bundeswahlbehörde und die Wahlabteilung im Innenministerium kein verpflichtendes Training für Wahlbeisitzer und Wahlkommissionsmitglieder durchsetzen. Wahlbeisitzer können ihr Wissen auf Eigeninitiative über eine E-Learning-Plattform des Innenministeriums verbessern, sind dazu aber nicht verpflichtet.
Stockende Wahlreformdiskussion
Durch die Unterlassung von Wahlreformen entstehen Kosten. Wer ist für diese verantwortlich? Auf der Basis dieser Kontroversen stellt sich die Frage, ob es für die kommende Europawahl eine ausreichende Zahl an interessierten und motivierten Wahlbeisitzern geben wird.
Seit 2015 werden für die Zeit nach den Wahlen immer wieder Wahlreformen angekündigt, doch die Reformprozesse ersticken oft schon im Ansatz. Die Regierungsparteien haben in der Regierungsvereinbarung von 2017 einen Minimalkonsens an Reformen festgeschrieben. Bei einer Diskussion im Parlament am 13. September 2018 haben die Verfassungssprecher aller Parlamentsparteien der Notwendigkeit von Wahlreformen zugestimmt, sich jedoch zu keinen konkreten Maßnahmen verpflichtet. Dem Publikum wurde versichert, dass Reformen wie üblich parlamentsintern behandelt würden. ODIHR, das Büro der OSZE für Demokratische Institutionen und Menschenrechte, das bei der Wahlreformdiskussion seine Schwerpunktempfehlungen vorstellte, hat bereits nach der Stichwahl 2016 empfohlen „(d)ie Behörden sollten überlegen, wie sichergestellt werden kann, dass genügend Mitglieder für die Wahlbehörden engagiert werden können. Einerseits könnten die Anreize dafür erhöht und/oder die Mitarbeit nicht auf von Parteien nominierte Beisitzer beschränkt werden.“
Mehr Transparenz
Zivilgesellschaftliche Wahlbeobachter haben schon nach dem ersten Durchgang der Wahl 2016 aufgezeigt, dass die gesetzliche Regulierung von Wahlkampfkosten reformbedürftig ist. Zum einen sollten unabhängige Kandidaten oder Kandidaten kleinerer Parteien keinen finanziellen Nachteil haben, um unter fairen Bedingungen an Wahlen teilnehmen zu können. Zum anderen sollte die Wahlkampffinanzierung transparenter und nachvollziehbarer geregelt werden. Derzeit kann der Rechnungshof nicht überprüfen, welche Summen Kandidaten tatsächlich investieren, und es gibt keine Sanktionen, falls die Obergrenze von sieben Millionen Euro überschritten wird. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Klage der FPÖ erstmals zu einer genauen und glaubhaften Offenlegung von Wahlkampfkosten beiträgt, um das Zustandekommen der Zusatzkosten von 3,4 Millionen zu belegen.
Die nächste bundesweite Wahl, die Wahl zum Europäischen Parlament, findet am 26. Mai 2019 statt. Es stellt sich die berechtigte Frage, wie konkrete Wahlreformen zeitgerecht umgesetzt werden können, um ähnliche Kosten zukünftig zu verhindern? Wie finden Parteien genügend Wahlbeisitzer, die bereit sind, dieses Risiko auf sich zu nehmen? Ernst gemeinte Empfehlungen von internationalen Wahlbeobachtern der OSZE wurden weder von Regierung, Parlament oder Wahlbehörden aufgenommen und zivilgesellschaftliche Wahlbeobachter, die auf die Problematik hinweisen, haben in Österreich weiterhin keine Rechtsgrundlage.
Mit Bezug auf internationale Standards für demokratischen Wahlen sowie auf der Basis bestehender Empfehlungen schlagen wir daher vor: Eine vollinhaltliche Auseinandersetzung mit Wahlreformempfehlungen der OSZE und österreichischer zivilgesellschaftlicher Organisationen soll zu einem zentralen und dringlichen Thema für Regierung, Parlament und Wahlbehörden werden. Die Rechtssicherheit für Beisitzer muss gesichert werden und das verpflichtende Training, einheitliche faire Aufwandsentschädigung sowie eine inhaltliche Aufwertung des Beisitzes müssen zeitnah umgesetzt werden. Die Öffnung des Wahlbeisitzes über parteiliche Nominierungen hinaus sollte zusammen mit einer gezielten Bewusstseinsbildung stattfinden, um insbesondere jüngere Personen für diese Funktion zu interessieren und weiterhin ein ausreichendes Pool an Personen auszubilden, die diese zentrale Rolle im österreichischen Wahlsystem erfüllen. (Armin Rabitsch, Michael Lidauer, Paul Grohma, 14.12.2018) – derstandard.at/2000093846507/Wer-traegt-die-Kosten-der-Unterlassung-von-Wahlreformen