Group of States Against Corruption (GRECO)
Evaluierungsbericht über die Transparenz der Parteienfinanzierung in Österreich (Dritte Evaluierungsrunde 2011)
V. SCHLUSSFOLGERUNGEN
72.
Wenn auch der rechtliche Rahmen über die Finanzierung politischer Parteien nach europäischem Maßstab nicht aktuell ist (insbesondere das Parteiengesetz datiert aus dem Jahr 1975), scheinen die meisten Vertreter staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen, einschließlich politischer Parteien, anzuerkennen, dass er bei weitem nicht den in Empfehlung Rec(2003)4 über gemeinsame Regeln gegen Korruption bei der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen festgelegten Normen entspricht. Der Schwerpunkt der derzeitigen rechtlichen Bestimmungen liegt auf der Gewährung öffentlicher Zuwendungen an politische Parteien und deren Tätigkeiten; private Spenden werden nicht geregelt, wobei in Österreich weder ein Mechanismus öffentlicher Aufsicht – abgesehen von der Bestätigung des Rechenschaftsberichts politischer Parteien durch einen privaten Wirtschaftsprüfer – noch Sanktionen zur Ahndung möglicher Verstöße gegen bestehende Regelungen bestehen. Das Bundesland Wien hat trotz seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung nicht einmal Mindeststandards in dieser Hinsicht erlassen. Nach Ersuchen des Parlaments im Jahr 1998 erstellte der österreichische Rechnungshof einen Sonderbericht über das System politischer Finanzierung in Österreich, wobei die darin enthaltenen Empfehlungen bis heute zu keiner spürbaren Verbesserung der Situation geführt haben. Obwohl der Anteil öffentlicher Förderungen für politische Parteien (gerechnet in € pro registriertem Wähler) Berichten zufolge einer der höchsten weltweit ist, scheint es zugleich, dass politische Finanzierung als höchst kontroversielles Thema betrachtet wird, das laut Mitteilungen durch diverse Unregelmäßigkeiten, insbesondere durch die missbräuchliche Verwendung öffentlicher Mittel und die Verschleierung von Spenden durch parteinahe Institutionen in Misskredit geraten ist. Um die Lücken zu schließen, wurde 2010 mit der parlamentarischen Arbeit begonnen. Im aktuellen Zusammenhang ist dies eine rechtzeitige Initiative, welche GRECO begrüßt. GRECO ermutigt Österreich, die erforderlichen Änderungen rasch voranzutreiben, um für angemessene Transparenz und Aufsicht der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen sowie für wirksame, verhältnismäßige und präventive Sanktionen im Fall von Verstößen zu sorgen.
73.
In Anbetracht der obigen Ausführungen, empfiehlt GRECO Österreich:
i.
die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, einschließlich beispielsweise der Einrichtung einer Koordinierungsstelle, um sicherzustellen, dass zukünftige Rechtsnormen über politische Finanzierung einheitlich in ganz Österreich gelten und die in der Empfehlung Rec(2003)4 über gemeinsame Regeln gegen Korruption bei der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen beinhalteten Grundsätze berücksichtigen (Nr. 59);
ii.
i) angemessene Regelungen über die Finanzierung der politischen Aktivitäten gewählter Vertreter einzuführen und ii) die Länder aufzufordern, dies ebenfalls zu tun (Nr. 60);
iii.
i) sicherzustellen, dass zukünftige Rechtsnormen über die Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen angemessene Rechnungslegungsgrundsätze vorsehen, und ii) die Länder aufzufordern, dies ebenfalls zu tun (Nr. 61);
iv.
sicherzustellen, dass zukünftige Rechtsnormen über die Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen i) zur Konsolidierung der Buchführung und
Rechenschaftsberichte von Parteien verpflichten, damit alle territorialen Gliederungen der Parteien und sonstige unter ihrer Kontrolle stehenden Rechtsträger miteinbezogen werden; ii) die Frage der Förderung durch Dritte regeln; und iii) für alle politischen Parteien und wahlwerbenden Parteien unabhängig davon, ob sie öffentliche Förderungsmittel erhalten, gelten (Nr. 62);
v.
i) in angemessener Weise verschiedene Formen der Unterstützung zu regeln, welche in der Praxis zur Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen eingesetzt werden; ii) in diesem Zusammenhang ein Verbot von Spenden einzuführen, die von Spendern stammen, deren Identität der politischen Partei oder der wahlwerbenden Partei nicht bekannt ist; iii) ein angemessenes, standardisiertes Format für die Buchführung und Rechenschaftsberichte vorzusehen, welches die Aufzeichnung aller Arten von Einnahmen und Ausgaben, Vermögenswerten und Verbindlichkeiten sowie die effektive Auflistung der Wahlwerbungskosten erfordert, und in diesem Zusammenhang iv) begleitende Leitfäden zu erstellen, die insbesondere die Bewertung von Naturalunterstützung, einschließlich Sponsoring, behandeln, und v) die Länder aufzufordern, dies ebenfalls zu tun (Nr. 64);
vi.
i) die Identität der Spender, deren Beiträge an eine politische Partei oder wahlwerbende Partei einen bestimmten Betrag übersteigen, zu veröffentlichen und sicherzustellen, dass die Information der allgemeinen Öffentlichkeit rechtzeitig zugänglich gemacht wird, und ii) die Länder aufzufordern, dies ebenfalls zu tun (Nr. 65);
vii.
i) die Zugänglichkeit aller von den politischen Parteien und wahlwerbenden Parteien vorgelegten Rechenschaftsberichte zu verbessern und ii) die Länder aufzufordern, dies ebenfalls zu tun (Nr. 66);
viii.
i) die Unabhängigkeit der externen Prüfung der Rechenschaftsberichte über Einnahmen und Ausgaben politischer Parteien zu stärken, zum Beispiel durch allgemeine Anwendung des Bestellungsvorgangs von beeideten Wirtschaftsprüfern, die durch eine öffentliche Behörde aus einer von der politischen Partei vorgelegten Liste ausgewählt werden, und – zusätzlich – durch Einführung der Rotation von Wirtschafsprüfern in einem angemessenen Ausmaß, und ii) die Länder aufzufordern, dies ebenfalls zu tun (Nr. 67);
ix.
i) eine wirksame und unabhängige Aufsicht über die Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen gemäß Artikel 14 der Empfehlung des Europarats Rec(2003)4 über gemeinsame Regeln gegen Korruption bei der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen sicherzustellen; ii) sicherzustellen, dass eine Pflicht zur Offenlegung von Rechenschaftsberichten für alle politischen Parteien und wahlwerbenden Parteien unabhängig davon, ob sie öffentliche Förderungsmittel erhalten, gilt, und iii) die Länder aufzufordern, dies ebenfalls zu tun (Nr. 68);
x.
entsprechende Maßnahmen einzuführen, welche sicherstellen, dass der österreichische Rechnungshof in der Lage ist, den zuständigen Behörden sowohl über Korruptionsverdachtsfälle im Zusammenhang mit politischer Finanzierung als auch Fälle von Misswirtschaft, aufgrund derer strafrechtliche Sanktionen möglich sind, zu berichten (Nr. 69);
xi.
i) gemäß Artikel 16 der Empfehlung des Europarats Rec(2003)4 über gemeinsame Regeln gegen Korruption bei der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen Verstöße bestehender (und noch einzuführender) Bestimmungen im Hinblick auf die Transparenz der Parteienfinanzierung eindeutig zu definieren und wirksame, verhältnismäßige und präventive Sanktionen für diese Verstöße festzulegen und ii) die Länder aufzufordern, dies ebenfalls zu tun (Nr. 71).
„Hinsichtlich politischer Finanzierung hat GRECO im Umsetzungsbericht die Verabschiedung des neuen Parteiengesetzes anerkannt, mit dem bundesweite Vorschriften eingeführt wurden, die die Einnahmequellen politischer Parteien und (sonstiger) wahlwerbender Parteien regeln sowie die Veröffentlichung des Rechenschaftsberichts – auch auf der Website der politischen Parteien und des Rechnungshofs (RH) – und die darauf folgende Kontrolle durch den RH vorsehen, wobei die Möglichkeit der Verhängung von Sanktionen bei Verstoß gegen die Vorschriften besteht. Während GRECO nun zur Kenntnis nimmt, dass inzwischen manche weitere Fragen geklärt wurden – insbesondere hinsichtlich der Behandlung von Förderungen durch Dritte im Rechenschaftsbericht und der Rolle und Befugnisse des unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats – und dass über erste Versuche mit den neuen gesetzlichen Regelungen berichtet wurde, bedauert GRECO, dass mehrere Empfehlungen immer noch nicht vollständig behandelt wurden, zum Beispiel hinsichtlich der anwendbaren Rechnungslegungs- und Buchführungsgrundsätze, der anwendbaren Sanktionsregelungen bei Verstößen und des neuen Kontrollmechanismus, dessen Wirksamkeit angesichts des Fehlens tatsächlicher, dem RH eingeräumter Kontrollbefugnisse im Auge behalten werden muss. GRECO möchte betonen, dass die Einrichtung eines wirksamen Kontrollmechanismus entscheidend ist, um die Transparenz politischer Finanzierung zu garantieren – und ruft die Vorbehalte hinsichtlich der Fähigkeit des RH, angesichts seiner generell beschränkten Befugnisse und Prüfmethoden mit dieser Aufgabe umzugehen, in Erinnerung. Abschließend sei festgestellt, dass die oben genannten Bereiche für die Glaubwürdigkeit der Finanzierung des politischen Lebens wichtig sind. Trotz der insgesamt positiven Ergebnisse, die Österreich im Reformprozess bereits erzielt hat, drängt GRECO die Behörden darauf, diesen Prozess fortzusetzen und die übrigen Lücken zu schließen.“