ADA Weltnachrichten Artikel vom 21. September 2017 © OSZE/Maria Kuchma
Text: Armin Rabitsch, Iris O’Rourke, Michael Lidauer
Es ist Februar 2017. Das Wahllokal in Turkmenistans Hauptstadt Aschgabat hat soeben geschlossen. Nun beginnt die Auszählung der Stimmzettel für die Präsidentschaftswahl. Anwesend sind nicht nur die Wahlkommission und lokale BeisitzerInnen, sondern auch zwei internationale WahlbeobachterInnen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
In Aschgabat setzte das Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE (ODIHR) eine nur fünfköpfige Wahlbewertungsmission ein. Größere Teams mit Lang- und KurzzeitwahlbeobachterInnen werden erst entsandt, wenn es glaubhafte Voraussetzungen für Wahlen mit wirklich alternativen KandidatInnen und lokalen unabhängigen zivilgesellschaftlichen WahlbeobachterInnen gibt. Das ist in Turkmenistan noch nicht der Fall.
Gutes Zeugnis für jüngstes Mitglied
Anders in der Mongolei. Juni/Juli 2017: Bei der Präsidentschaftswahl sah eine offizielle OSZE-Wahlbeobachtungsmission genau hin. Vor fünf Jahren erst wurde die Mongolei der 57. Teilnehmerstaat der OSZE. Das Land nahm damit auf sich, alle bestehenden OSZE-Verpflichtungen umzusetzen, einschließlich demokratischer Wahlen. Bereits die letzte OSZE-Mission hatte der Mongolei ein gutes Zeugnis ausgestellt; einige Empfehlungen wurden bereits umgesetzt.
Internationale Wahlbeobachtung betreibt die OSZE intensiv seit Mitte der 1990er-Jahre. Im Zuge wiederkehrender Missionen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und der Sowjetunion hat sie diese mit einer standardisierten Methodologie ausgestattet. Diese wird ständig weiterentwickelt.
Wie wichtig fortlaufende Beobachtung ist, offenbarte etwa das Referendum in der Türkei im April 2017. Es entsprach nicht den demokratischen Standards der OSZE und gab Anlass zu zahlreichen Kritikpunkten von Seiten der Beobachtungsmission.
Vom „Wahlfieber“ gepackt
Alle, die schon dabei waren, kennen die Anspannung bis zum Wahltag, die langen Arbeitstage, die spannenden Wahlnächte und die Gespräche mit PolitikerInnen, VertreterInnen der Wahlbehörden oder AktivistInnen. Ziel ist, demokratische Prozesse zum Wohl aller zu stärken. Die Frustrationsgrenze sollte aber hoch sein.
Foto Armin Rabitsch und Bildunterschrift: © IFES
„Es ist deprimierend, bei einer ‚gestohlenen Wahl‘ präsent zu sein und zu sehen, wie die Menschen zunehmend frustriert sind. Glücksmomente hingegen gibt es, wenn sich gegen alle Zwänge und Unterdrückung demokratischer Wandel durchsetzt“, so Wahlbeobachter Armin Rabitsch.
Mutiger Gang zur Wahlurne
Zu den einschneidenden Erfahrungen zählen Einsätze mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen, Polizeieskorten zum Beispiel. Eindrücke bleiben auch, wenn die lokale Bevölkerung trotz widriger politischer Umstände wählen geht und durch die Präsenz internationaler BeobachterInnen unterstützt wird. Das prägt auch das Demokratieverständnis zu Hause.
Demokratien unter Beobachtung
Die OSZE entsendet Wahlbeobachtungsmissionen auch in bestehende Demokratien wie Frankreich, die USA, Großbritannien oder nach 2010 und 2013 kürzlich auch wieder nach Österreich. Dabei geht es nicht so sehr darum, Wahlfälschung aufzudecken oder hintanzuhalten. Der Zweck ist vielmehr, die Wahlprozesse gemäß internationalen Standards und regionalen Verpflichtungen weiter zu verbessern.
In Österreich haben sich einige WahlbeobachterInnen mit internationaler Erfahrung zur Arbeitsplattform wahlbeobachtung.org zusammengeschlossen. Sie haben einen Katalog mit 37 Vorschlägen publiziert und treiben in Österreich OSZE-Empfehlungen und eigene Reformvorschläge voran: www.wahlbeobachtung.org/vorschlagskatalog-37-empfehlungen-zum-wahlprozess/
Foto Michael Lidauer und Bildunterschrift: © HSFK
„In Österreich hat OSZE/ODIHR empfohlen, neben internationaler Wahlbeobachtung auch Beobachtung durch Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. ODIHR empfiehlt darüber hinaus, Beisitzer und Beisitzerinnen nicht nur durch politische Parteien zu nominieren. Als Gastgeberland der OSZE könnte Österreich hier mit gutem Beispiel vorangehen“, so Wahlbeobachter Michael Lidauer.
Engagiert und sprachbegabt
WahlbeobachterInnen sind oft PolitologInnen, JuristInnen, AnthropologInnen oder SicherheitsexpertInnen. „Nachwuchs“ wird laufend gesucht. Gefragt sind Arbeitserfahrung im Menschenrechtsbereich oder in Ländern der OSZE sowie Fremdsprachenkenntnisse.
Foto Iris O’Rourke und Bildunterschrift © Sophie Menegaldo
„Es gibt mehr Interessenten und Interessentinnen als zu besetzende Stellen. Das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte und das Außenministerium versuchen trotzdem, den Pool an WahlbeobachterInnen laufend mit neuen Gesichtern aufzufrischen. Das soll eine möglichst große Bandbreite garantieren“, so Wahlbeobachterin Iris O’Rourke, die heuer bereits in Albanien für die OSZE im Einsatz war.
Die OSZE rekrutiert WahlbeobachterInnen nicht direkt, sondern über die Teilnehmerstaaten. Der OSZE-Wahlkalender gibt einen Überblick über anstehende Wahlen, geplante Missionen und Ausschreibungen für WahlexpertInnen. Wer sich für Einsätze interessiert, kann sich an die OSZE-Abteilung des Außenministeriums wenden: www.bmeia.gv.at/europa-aussenpolitik/menschenrechte/wahlbeobachtung/
Dieser Artikel wurde vom AutorInnenteam von www.wahlbeobachtung.org verfasst.
Grafik mit deutscher Übersetzung