Constitutional spokespersons of all political parties in Parliament discuss electoral reforms with OSCE and wahlbeobachtung.org
14 Sep , 2018
Following an invitation by the President of the National Council Parliament hosted an electoral reform event on 13 September 2018. All five constitutional spokespersons of political parties in parliament participated.
The representative of OSCE’s Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) presented recommendations of its election assessment mission to the general elections 2017. Wahlbeobachtung.org (Election-Watch.EU) presented key recommendations and advocated for a participatory and inclusive electoral reform process. The Head of the election department of the Ministry of Interior explained details about electoral reform processes and impact of possible changes.
Thereafter the constitutional spokespersons of political parties elaborated their parties’ position to various proposals, timing as well as advantages and disadvantages of recommendations. In principle, there was an agreement to conduct an electoral reform process as already envisaged in the government agreement. However, the question of scope is seen differently by the political parties. Wahlbeobachtung.org (Election-Watch.EU) appraised the opening of parliament and political parties towards civil society and regional organizations to discuss electoral reforms.
Due to the high interest, the registration for the event was closed days before the event. More than 100 interested people attended the event. In the absence of National Council President Mag. Wolfgang Sobotka, Parliamentary Director Dr. Dossi delivered the opening and closing statements. The presentation (in German language) of Armin Rabitsch for wahlbeobachtung.org (Election-Watch.EU) is available for download.
ODIHR experts discuss electoral recommendations at Austrian Parliament
14 September 2018
Experts from the OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) visited Vienna on 12 and 13 September 2018 to present ODIHR’s final report on the 15 October 2017 early parliamentary elections in Austria.
The report’s findings and recommendations were presented at an expert discussion organized by the Parliament, with the participation of around 100 representatives from political parties, the Interior Ministry, other government and municipal agencies and civil society.
The ODIHR representatives noted that the elections reflected Austria’s vibrant democracy and were administered in an efficient and professional manner. They drew attention to recommendations on citizens’ right of access to information on all aspects of elections, the effective oversight of campaign finance, timely and comprehensive access for electoral dispute resolution and safeguarding the impartiality of the election administration.
“The holding of a parliamentary meeting to consider improvements to electoral legislation is a positive step that demonstrates good practice in the follow-up of ODIHR’s electoral recommendations,” said Alexey Gromov, ODIHR Election Adviser. “Today’s inclusive discussions provide a sound platform to further improve electoral processes in Austria, and ODIHR is ready to support such efforts.”
The participants discussed a number of other topics, including election observation by civil society, postal voting and election-day procedures, and lifting criminal liability for defamation.
Discussions in a separate meeting with representatives of Interior Ministry, the principal agency in charge of administering elections, focused on the possible engagement of ODIHR in providing legal and technical expertise during the electoral reform process.
All OSCE participating States have committed themselves to promptly following up on ODIHR election assessments and recommendations.
Einer umfassenden Reform des Wahlrechts dürfte eigentlich nichts im Weg stehen: Bei einer von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) initiierten Vortragsveranstaltung zeigten sich gestern Abend die Verfassungssprecher aller Klubs willig, die Sache rasch anzugehen. Es spießte sich allerdings im Detail.
Neben den Verfassungssprechern der Parlamentsklubs waren auch Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Organisation Wahlbeobachtung.org und des Innenministeriums ins Wiener Palais Epstein gekommen.
Auslöser für die erneut geforderte Wahlrechtsreform waren die vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) festgestellten Unregelmäßigkeiten bei der Bundespräsidentenstichwahl vor zwei Jahren.
Briefwahl und Frauenquote
Von OSZE-Seite wird etwa Reformbedarf bei den Sanktionsmöglichkeiten beim Überschreiten der Obergrenze bei den Wahlkampfkosten geortet. Auch sollten Kandidaten und Abgeordnete nicht mehr in Wahlvorständen sitzen. Zudem gehöre die Briefwahl derart umgestaltet, dass die Stimmen auf jeden Fall rechtzeitig eintreffen. Auf bessere Sicherheitsvorkehrungen bei der Briefwahl und eine Koppelung der Frauenquote an die Parteienförderung verwies Armin Rabitsch von Wahlbeobachtung.org.
Laut Robert Stein vom Innenministerium könnte schließlich eine „Streckung“ der bei Wahlen geltenden Fristen sicherstellen, dass Wahlkarten rechtzeitig eintreffen. Die beste Möglichkeit, das auch bei Auslandsösterreichern sicherzustellen, wäre laut Stein das umstrittene E-Voting.
Zweidrittelmehrheit als „Herausforderung“
Wolfgang Gerstl (ÖVP) stellte in den Raum, dass bei manchen Forderungen allerdings Interessen und Grundsätze einander diametral gegenüberstünden. Niemand könne sich mehr dagegen verwehren, Wahlkarten noch am selben Tag auszuzählen, konstatierte Peter Wittmann (SPÖ). Harald Stefan (FPÖ) hält unterdessen nichts von der Möglichkeit einer elektronischen Stimmabgabe. Auch die „heilige Kuh“ der Vorzugsstimmen sei für ihn nicht immer von Vorteil.
„Ja, eine Zweidrittelmehrheit herzustellen ist eine Herausforderung“, sagte Nikolaus Scherak von NEOS mit Blick auf die kommenden Diskussionen bei der Wahlrechtsreform. Was die Wahlkampffinanzierung betrifft, erachtete neben Scherak auch Alfred Noll von der Liste Pilz die Grenzen als viel zu hoch.
Wahlrecht: Größere Reformen sind vorerst nicht in Aussicht
Gedankenaustausch zwischen Politikern und ExpertInnen im Parlament
Wien (PK) – Nicht erst seit der Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Juli 2016 und der wegen fehlerhafter Briefwahlkuverts später notwendigen Verschiebung der Stichwahl-Wiederholung wird in Österreich über eine Reform des Wahlrechts diskutiert. Lange Zeit nahmen etwa Vorschläge zur Einführung eines minderheitenfreundlichen Mehrheitswahlrechts zur Erleichterung von Regierungsbildungen in der öffentlichen Debatte einen breiten Raum ein. Auch die Forderung nach einem Ausbau des Persönlichkeitswahlrechts bzw. einer stärkeren Gewichtung von Vorzugsstimmen wird immer wieder laut. Auf einige organisatorische Mängel bei der Abwicklung der Bundespräsidentenwahl hat das Parlament zwar unmittelbar nach dem VfGH-Erkenntnis reagiert, eine angedachte größere Wahlrechtsreform fiel aber den vorgezogenen Nationalratswahlen 2017 zum Opfer.
Nun will Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka den Diskussionsprozess wieder ankurbeln. Zum Auftakt lud er gestern Abend ExpertInnen und PolitikerInnen zu einem Meinungsaustausch in das Palais Epstein ein. Wo, wenn nicht im Parlament, solle über das Wahlrecht diskutiert werden, hielt Parlamentsdirektor Harald Dossi in Vertretung des verhinderten Nationalratspräsidenten bei der Eröffnung der Veranstaltung fest.
Größere Änderungen im Wahlrecht zeichnen sich allerdings, folgt man den Ausführungen der Verfassungssprecher der Parlamentsparteien, nicht ab. Zumindest auf einige technische Reformen könnte man sich in dieser Legislaturperiode aber doch einigen, glaubt FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan. Seitens der Oppositionsparteien äußerten Peter Wittmann (SPÖ), Nikolaus Scherak (NEOS) und Alfred Noll (PILZ) jedenfalls Gesprächsbereitschaft. Die Initiative müsste allerdings aus dem Parlament kommen, wie der Wahlrechtsexperte des Innenministeriums Robert Stein betonte. Eher zurückhaltend äußerte sich ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl, er sieht grundsätzlich keinen großen Reformbedarf.
Innenministerium hat Reihe von Reformvorschlägen gesammelt
An Reformvorschlägen mangelt es jedenfalls nicht. So präsentierte Stein eine ganze Liste von Änderungswünschen, die an das Innenministerium herangetragen wurde, wobei ein Großteil davon dem Komplex “Wahlkarten und Briefwahl” zuzuordnen ist. Dazu gehören etwa die Forderung nach einem Vorwahltag zur Eindämmung der Zahl der Wahlkarten, die Auszählung der Briefwahlstimmen bereits am Wahltag und der frühere Versand von Wahlkarten. Die Sache ist allerdings nicht so einfach, wie Stein anschaulich schilderte – man müsse jeweils auch die “Nebenwirkungen” etwaiger Reformschritte berücksichtigen. So stelle sich bei einem Vorwahltag etwa das Problem der Lagerung und Versiegelung der Wahlurnen, zudem sei es fraglich, ob die Wahlbehörden überall in beschlussfähiger Zusammensetzung tätig werden können. Etliche Wünsche seien überdies nur umsetzbar, wenn man gewisse Fristen, etwa die Deadline zur Einbringung von Wahlvorschlägen, vorverlege.
Klar ist für Stein, dass die Initiative für eine Wahlrechtsänderung vom Parlament ausgehen muss. Diese Vorgangsweise sei auch in der Vergangenheit üblich gewesen. Das Innenministerium stelle gerne seine Expertise bei der Ausarbeitung konkreter Gesetzestexte zur Verfügung. Wichtig ist dem Ressort jedenfalls, dass Bestimmungen, die ein Eingangstor für Wahlanfechtungen bieten können, vermieden werden.
OSZE urgiert mehr Transparenz bei Wahlkampffinanzierung
Eine Auswahl der Reformvorschläge des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der OSZE präsentierte Martina Barker-Ciganikova. Die Vorschläge sind das Ergebnis der mittlerweile vierten Wahlberatungsmission von ODIHR in Österreich anlässlich der Nationalratswahl 2017.
Unter anderem urgiert die OSZE mehr Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung und effektive Sanktionen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben. Der Rechnungshof habe nur eine eingeschränkte Kontrollmöglichkeit im Hinblick auf die Finanzgebarung der Parteien, zudem gebe es keine speziellen Berichtspflichten bezüglich der Wahlkampffinanzierung, kritisierte Barker-Ciganikova. Auch seien die Sanktionen, etwa bei Verstößen gegen die Wahlkampfkostenobergrenze, wenig abschreckend. Ein Dorn im Auge ist Barker-Ciganikova außerdem, dass KandidatInnen gleichzeitig Mitglied einer Wahlbehörde sein können, keine Wahlbeobachtung durch zivilgesellschaftliche Organisationen in Österreich möglich ist und es vor einer Wahl kaum Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene, etwa bei Verweigerung einer Kandidatur, gibt.
Ein wesentliches Anliegen ist der OSZE außerdem eine ausdrückliche Garantie für BürgerInnen, was den Zugang zu Informationen betrifft. Dass es keine Informationsfreiheit gebe, wirke sich auch auf Teile des Wahlprozesses negativ aus. So würden Entscheidungen und Protokolle von Wahlbehörden nicht öffentlich gemacht und Medien der Zugang zu Dokumenten verwehrt. In dieselbe Richtung stieß auch die Kritik von Armin Rabitsch von der privaten Initiative “wahlbeobachtung.org” – er hält die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit und die Schaffung eines Grundrechts auf Zugang zu Informationen für überfällig.
Rabitsch: Wahlkarten sollen bereits am Wahltag ausgezählt werden
Auch im österreichischen Wahlrecht hält Rabitsch einiges für verbesserungswürdig, wobei er sich für einen konsultativen und partizipativen Reformprozess stark machte. Österreich befinde sich bei einem internationalen Demokratieranking zwar im Spitzenfeld, allerdings liege es etwa hinter den skandinavischen Ländern, Deutschland und der Schweiz, skizzierte er. 37 Empfehlungen der OSZE würden zudem einer Umsetzung harren.
Konkret sprach sich Rabitsch u.a. dafür aus, die Wahlkarten bereits am Wahltag auszuzählen, auch wenn das gewisse Einschränkungen für Wahlkarten-WählerInnen mit sich bringe. Zudem plädierte er dafür, das System der Vorzugsstimmen zu vereinfachen, auch neutrale Personen als Wahlbeisitzer zuzulassen, die Öffnungszeiten der Wahllokale zu vereinheitlichen und alle Wahlbeisitzer gleich zu entschädigen. Um die Chancen von Frauen auf den Einzug in den Nationalrat zu erhöhen, kann er sich außerdem positive Anreize über die staatliche Parteienförderung vorstellen.
Noch vor den Europawahlen im Frühjahr geändert werden müssen Rabitsch zufolge die Bestimmungen zur Briefwahl. Das derzeit in Verwendung stehende Wahlkuvert ohne Lasche widerspricht seiner Einschätzung nach der Datenschutzgrundverordnung. Der Wahlrechtsexperte des Innenministeriums Stein teilt diese Rechtsansicht allerdings nicht.
Gerstl ortet Reihe von Widersprüchen bei Reformvorschlägen
Seitens der Parlamentsparteien dämpfte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl zu große Erwartungen. “Zu verbessern gibt es immer etwas”, meinte er, viele Reformvorschläge würden aber – bei gleichzeitig sehr unterschiedlicher Interessenslage – einer Verfassungsmehrheit bedürfen. Außerdem ortet Gerstl eine Reihe von Widersprüchen bei den Reformwünschen. So könne man nicht gleichzeitig eine Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts fordern und gleichzeitig einen zu niedrigen Frauenanteil im Nationalrat kritisieren. Eine Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses am Wahltag – inklusive Briefwahlstimmen – würde außerdem bedeuten, dass die Wahlkarten bereits am Mittwoch bei der Behörde eingelangt sein müssen. Damit würde man viele Leute von der Wahl ausschließen.
Gerstl machte außerdem geltend, dass der Bericht der OSZE-Wahlberatungsmission weitgehend positiv ausgefallen sei. So wird unter anderem festgehalten, dass die Nationalratswahl bezeugt habe, dass Österreich über eine lebendige Demokratie verfüge. Zudem habe die OSZE den Wahlvorgang als effizient bewertet und festgestellt, dass den Wahlbehörden seitens der Bevölkerung ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht werde. Mit einer Wahlbeteiligung von 80% sei Österreich überdies Vorbild.
Wittmann sieht Wunsch nach mehr Transparenz und Rechtssicherheit
Auch SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann ist mit dem Wahlsystem in Österreich grundsätzlich zufrieden. Das System sei nicht so schlecht, meinte er. Allerdings brauche es regelmäßig Reformen, da sich der gesellschaftliche Anspruch verändere. So gebe es heute andere Ansprüche an Transparenz und Rechtssicherheit als noch vor zehn Jahren. Niemand könne sich etwa gegen den Wunsch verwehren, das endgültige Wahlergebnis bereits am Wahltag zu erfahren, auch wenn dieser im Spannungsverhältnis zu anderen Anliegen stehe. Auch eine gewisse Harmonisierung des Wahlrechts auf Bundes- und Landesebene und eine Öffnung der Wahlbehörden für Zivilpersonen entspricht seiner Ansicht nach dem Zug der Zeit. Nicht teilen wollte Wittmann die Einschätzung, dass es angesichts der aktuellen politischen Lage schwierig sei, Verfassungsmehrheiten für notwendige Reformen zu finden.
Stefan will Briefwahl eindämmen und lehnt E-Voting ab
Grundsätzlich zuversichtlich äußerte sich auch FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan. Es sieht zwar keinen besonderen Zeitdruck, geht aber davon aus, dass es noch in dieser Legislaturperiode gelingen wird, einige wahltechnische Reformen zu beschließen, etwa was die Stimmenauszählung und die Abholung von Wahlkarten betrifft.
Stefan selbst ist es unter anderem ein Anliegen, die Zahl der BriefwählerInnen zu reduzieren. Das könnte man seiner Meinung nach etwa durch eine persönliche Abholung und Abgabe der Wahlkarte bei der Gemeinde erreichen. Die meisten der derzeitigen Missstände seien mit der Briefwahl verbunden, zudem habe diese den Nachteil, dass wichtige Wahlgrundsätze wie die geheime und unbeeinflusste Wahl nicht gewährleistet seien, betonte er.
Skeptisch ist Stefan, was eine stärkere Gewichtung von Vorzugsstimmen betrifft. Es sei nicht immer so, dass sich der Beste durchsetze, sondern der, der die besten Möglichkeiten habe, sich zu präsentieren, gab er zu bedenken. Das seien oftmals Männer bzw. Kandidaten mit organisatorischem Hintergrund. Ausdrücklich abgelehnt wird von ihm auch die Möglichkeit des E-Votings, da die WählerInnen nicht die Möglichkeit hätten, etwaige Manipulationen zu überprüfen.
Scherak urgiert einheitlichen Beginn der Stimmauszählung
Trotz unterschiedlicher Wahrnehmungen und Vorstellungen könnte man etwas weiterbringen, zeigte sich NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak gesprächsbereit. Er vermisst allerdings Initiativen der Regierungsparteien. Seit der Bundespräsidentenwahl habe sich nicht viel getan.
Inhaltlich schloss sich Scherak etlichen Forderungen der ExpertInnen an, etwa was abschreckende Sanktionen bei Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze, eine Öffnung der Wahlbehörden für neutrale Wahlbeisitzer und eine bundeseinheitliche Aufwandsentschädigung für Wahlbeisitzer betrifft. Auch kann er sich mehrere Vorwahltage vorstellen. Ein einziger Vorwahltag könnte seiner Meinung nach allerdings problematisch sein, da veröffentlichte Exit-Polls WählerInnen beeinflussen können. Als schwierig umsetzbar sieht Scherak einheitliche Wahlöffnungszeiten, er plädierte aber für einen einheitlichen Beginn der Stimmauszählung um 17 Uhr.
Noll fordert Senkung der 4%-Hürde für Einzug in den Nationalrat
Dass das Wahlergebnis schon am Wahltag feststeht, sei ihm persönlich nicht so ein großes Anliegen, hielt Scherak fest. Auch Alfred Noll (PILZ) hat in dieser Frage eine ähnliche Position. Wichtiger sei eine ordnungsgemäße Auszählung der Stimmen. Auch in anderen Ländern stehe das Ergebnis erst einige Tage nach der Wahl fest.
Noll sind vor allem zwei Punkte wichtig, wie er erklärte: Eine Halbierung der Wahlkampfkostenobergrenze auf 3,5 Mio. € mit verschärften Sanktionen bei einer Überschreitung sowie eine niedrigere Hürde für kleine Parteien für den Einzug in den Nationalrat. Die aktuelle Vier-Prozent-Hürde habe dafür gesorgt, dass die Grünen trotz 192.000 Stimmen nicht im Nationalrat vertreten sind, während für 177.000 abgegebene Stimmen im Burgendland fünf Mandate und für 104.000 abgegebene Stimmen in Vorarlberg vier Mandate verteilt wurden, brachte er vor. Hätte es eine Zwei-Prozent-Hürde gegeben, würden die Grünen mit ihrer Stimmenzahl vermutlich sogar in Klubstärke im Nationalrat vertreten sein.
Noll will außerdem die Stimmauszählung öffentlich machen und Unterstützungserklärungen für wahlwerbende Parteien erleichtern. Auch sollte es möglich sein, für mehrere Parteien eine Unterstützungserklärung abzugeben. Zudem outete sich der Abgeordnete als Anhänger der Briefwahl. Die Schweiz zeige, dass diese ohne Probleme funktionieren könne. Mit FPÖ-Abgeordnetem Harald Stefan teilte er hingegen die Ablehnung von E-Voting.
In der anschließenden Publikumsdiskussion ging es unter anderem um die Frage, welche Rahmenbedingungen es brauche, um das Wahlergebnis bereits am Wahltag bekanntgeben zu können. Die Stadt Wien sieht sich jedenfalls außerstande, die rund 200.000 Wahlkarten schon am Wahlsonntag auszuzählen, wie eine Verantwortliche berichtete. Auch der Umstand, dass viele Briefwahlstimmen ausgeschieden werden müssen, weil die Unterschrift auf der Wahlkarte fehlt, war Thema. Ein Behindertenvertreter mahnte Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit ein.
Keine Antwort von Seiten der Regierungsparteien gab es auf die Frage, ob in nächster Zeit mit Initiativen betreffend mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung und betreffend ein Informationsfreiheitsgesetz zu rechnen ist. SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann erwartet beim zweiten Punkt jedenfalls steigenden Druck von außen. In der letzten Legislaturperiode sei man bei den Verhandlungen über die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit schon sehr weit gewesen, es sei nur noch um “Kleinigkeiten” gegangen, sagte er. (Schluss) gs
Wahlrechtsreform: Wie die Österreicher künftig wählen sollen
Mit einem “Gedankenaustausch” wird am Donnerstag die anstehende Reform des österreichischen Wahlrechts eingeläutet.
Nehmen wir an, ein Lehrer will mit seiner Klasse von Erstwählern im Zuge eines Demokratieprojekts ein Wahllokal beobachten. Nach momentaner Gesetzeslage wäre das nicht möglich. Geht es nach Michael Lidauer, bald schon.
Lidauer und seine Mitstreiter von der – unparteiischen – Plattform „wahlbeobachtung.org“ treten für eine umfassende Wahlrechtsreform in Österreich ein. Im vergangenen Jahr erstellten die erfahrenen internationalen Wahlbeobachter auf breiter Datenbasis einen 37 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog für ein zeitgemäßes Wahlrecht.
Und weil eine Wahlrechtsreform auch im Regierungsprogramm steht – wenn auch „zu kurz abgehandelt“ für Lidauers Geschmack –, finden die Vorschläge der Experten nun auch breite Beachtung. Heute findet auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ein „Gedankenaustausch“ zu einer Wahlrechtsreform statt, zu der neben Lidauer und seinen Kollegen auch die OSZE, das Innenministerium und Vertreter aller Parlamentsfraktionen eingeladen sind.
Hatte Sobotka im Frühjahr noch Präferenzen für das deutsche Wahlsystem und damit eine Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts durchscheinen lassen, wollte er sich jetzt hinsichtlich konkreter Wünsche an die Reform im Vorfeld nicht in die Karten blicken lassen.
Reform auf breiter Basis
Es herrsche zwar „Konsens darüber, dass man das Wahlrecht weiterentwickeln muss“. Dem müsse aber eine „umfassende und tiefgehende Debatte“ zugrunde liegen, der Sobotka mit der heutigen Veranstaltung „unter Einbeziehung aller Fraktionen, NGOs und Experten eine Plattform bieten“ wolle, sagte Sobotka zum KURIER. Auch bezüglich des weiteren Reform-Fahrplans wollte sich Sobotka nicht äußern. Im April hatte er noch eine Enquete für das erste Halbjahr 2019 angekündigt
Im Gegensatz zum obersten Parlamentarier wird Experte Lidauer freilich weitaus konkreter. Neben eher technischen Anpassungen wie etwa bei der Briefwahl oder den Auszählungsmodalitäten, die zum Teil auch wegen der Wirren um die vergangene Bundespräsidentschaftswahl notwendig sind, hält er auch strukturelle Reformen für nötig. Die Ermöglichung nationaler Wahlbeobachtung – zu der sich Österreich bereits 1990 im Kopenhagener Dokument des OSZE-Vorläufers KSZE verpflichtet hat – wäre eine davon; gezielte Frauenförderung, etwa über die Klubförderung, eine andere.
Eine weitere zentrale Forderung, die laut Lidauer übrigens auch breiten Anklang in den Parteien findet, ist schließlich die Öffnung des Wahlbeisitzes für die Zivilgesellschaft. Freilich auch aus Eigennutz, denn: „Den meisten Parteien gehen die Beisitzer aus.“
Positive Signale
Den heutigen Gedankenaustausch sieht Lidauer als „guten Startpunkt, einen intensiven Diskussionsprozess zu beginnen“, mit dem es aber freilich nicht getan sei. Weil manche Materien wie die Briefwahl bereits bis zur EU-Wahl im kommenden Mai reformiert werden sollten, hält er überhaupt auch eine zweigeteilte Reform für möglich. Hauptsache, am Ende steht nicht nur ein „Wahlreförmchen“. Momentan ist der Wahlbeobachter aber optimistisch gestimmt – auch dank des „Commitments“ Sobotkas.
Die wichtigsten Forderungen der Wahlbeobachter
Vereinfachung und Harmonisierung des Wahlrechts
Stärkere Förderung von Frauen in der Politik über die Parteien- und Klubförderung
Stärkere Gewichtung von Vorzugsstimmen
Neuberechnung der Verteilung von Direktmandaten über die Regionalwahlkreise
Öffnung des Wahlbeisitzes
Mehr Transparenz in der Wahlkampffinanzierung sowie erweiterte Kontrollrechte für den Rechnungshof
Neuordnung der Briefwahl sowie der Auszählung der Wahlkarten
Einheitliche Öffnungs-, Schließ- und Auszählungszeiten für Wahllokale
Der Teufel der Wahlrechtsreform liegt in den Details
Einer umfassenden Reform des Wahlrechts dürfte theoretisch nichts mehr im Weg stehen. Praktisch spießt es sich noch an den Details.
Wien – Beim österreichischen Wahlrecht gibt es großes Verbesserungspotenzial. Darüber herrscht spätestens seit dem Jahr 2016, als die Bundespräsidentenwahl und die zugehörige Pannenserie das Land in Atem gehalten haben, politischer Konsens. Doch was ändern? Darauf wurden diese Woche bei einer von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) initiierten Vortragsveranstaltung im Parlament mehrere mögliche Antworten gegeben.
Nicht nur die Verfassungssprecher der Parlamentsklubs, auch Vertreter der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), der Organisation „wahlbeobachtung.org“ und des Innenministeriums waren zum Austausch ins Wiener Palais Epstein gekommen. Die Runde könnte der Anstoß für eine Enquete im kommenden Jahr sein.
OSZE-Vertreterin Martina Barker-Ciganikova zitierte zu Beginn aus dem Abschlussbericht zur Nationalratswahl. Dieser hatte ein durchaus positives Resümee gezogen. Allerdings missfallen der Organisation etwa die geringen Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Obergrenzen bei den Wahlkampfkosten. Kandidaten und Abgeordnete sollten nicht mehr in Wahlvorständen sitzen. Die Briefwahl gehöre derart umgestaltet, dass die Stimmen auf jeden Fall rechtzeitig eintreffen.
Armin Rabitsch von der Organisation „wahlbeobachtung.org“ lobte gegenüber der TT die Bereitschaft der Politik, den Prozess zu öffnen und über Vorschläge zu diskutieren. „Die große Reform muss aber erst noch geboren werden“, meint Rabitsch. Auch er plädiert für bessere Sicherheitsvorkehrungen bei der Briefwahl, etwa mittels Strichcodes. Allgemein sollte das Wahlsystem „ein Spiegel der Gesellschaft sein“, so Rabitsch, der sich dafür ausspricht, auch Wahlbeisitzer von außerhalb der Parteien zuzulassen.
Das Innenministerium hatte Robert Stein, den Leiter der Abteilung Wahlangelegenheiten der Bundeswahlbehörde, zur Diskussion entsandt, um „Wünsche“ an den Gesetzgeber zu formulieren. Eine „Streckung“ der bei Wahlen geltenden Fristen würde etwa sicherstellen, dass Wahlkarten rechtzeitig einlangen. Für Auslandsösterreicher wäre laut Stein das umstrittene E-Voting die beste Möglichkeit.
Die Verfassungssprecher der Klubs reagierten auf die Vorschläge. Wolfgang Gerstl von der ÖVP kam aber nicht umhin, das bestehende System erst einmal zu loben, was auch die OSZE getan habe. Er stellte in den Raum, dass bei manchen Forderungen Interessen und Grundsätze einander diametral gegenüberstünden. Etwa bei jener nach einer Frauenquote und der nach einem gestärkten Vorzugsstimmenrecht.
SPÖ-Abgeordneter Peter Widmann konstatierte, dass sich beim Wahlrecht der gesellschaftliche Anspruch verändere, etwa beim Wunsch nach größerer Transparenz. Auch niemand könne sich dagegen verwehren, Wahlkarten noch am selben Tag auszuzählen, da Rechtssicherheit am Wahltag wichtig sei. Aber auch er merkte angesichts der allgemeinen Debatte an: „Es gibt kaum ein Land der Welt, wo es 80 Prozent Wahlbeteiligung gibt.“
Der Freiheitliche Harald Stefan und seine Partei lehnen die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe, ab. „Wir sind überzeugt, dass es nicht manipulationsfrei abläuft“, argumentierte er. Auch die Briefwahl müsse wieder zur Ausnahme werden. Auch die „heilige Kuh“ der Vorzugsstimmen sei nicht immer von Vorteil.
„Ja, eine Zwei-Drittel-Mehrheit herzustellen ist eine Herausforderung“, warf Nikolaus Scherak von den NEOS einen Blick auf die kommenden Diskussionen bei der Wahlrechtsreform. Allerdings hätte man auch schon nach der Bundespräsidentenwahl 2016 einiges bewegen können, merkte er an. Etwa beim schon lange diskutierten Informationsfreiheitsgesetz.
Für Alfred Noll von der Liste Pilz ist die Obergrenze von sieben Mio. Euro für den Wahlkampf zu viel, er forderte deren Halbierung. Ebenfalls halbiert gehört für ihn die Hürde für den Einzug in den Nationalrat von vier Prozent – was das Ausscheiden der Grünen verhindert hätte, bemerkte er. (APA, car)