Staatsbürgerschaftsangelegenheiten fallen in die Zuständigkeit der Bundesländer, das Innenministerium hat keine gesetzliche Kompetenz – kann also nicht entscheiden, ob eine Doppelstaatsbürgerschaft vorliegt oder nicht. Aber das Ministerium hat den ihr von der FPÖ übergebenen Datensatz (nach Wohnsitzdaten) geordnet und den Landesregierungen übermittelt verteilt. Bei ihnen laufen jetzt die sogenannten Feststellungsverfahren, in denen geklärt wird, ob Doppelstaatsbürgerschaften vorliegen und die Betreffenden somit die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren.
Der außerordentlich Universitätsprofessor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien Gerhard Strejcek hat für das Innenministerium ein Gutachten erstellt. Im seit Mitte August startenden Richtigstellungsverfahren kann zwar jedermann bei der betreffenden Gemeinde einen Berichtigungsantrag stellen – aber “für jeden Fall gesondert” und mit Begründung. Darüber entscheidet zunächst die Gemeinde- bzw. in Wien die Bezirkswahlbehörde. Gegen deren Entscheidung kann man noch ein Rechtsmittel – Beschwerde – beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.
ORF Morgenjournal Beitrag 9 August 2017
Bei den für Staatsbürgerschaftsfragen zuständigen Ländern laufen Verfahren zu den vermeintlichen “Scheinstaatsbürgern” – und die Wahlbehörden müssen berücksichtigen, was die Behörden entscheiden. Das heißt: Erst wenn einem Türken die österreichische Staatsbürgerschaft rechtskräftig mit Bescheid aberkannt wurde, ist er aus dem Wählerverzeichnis zu streichen. Dies gelte auch, wenn der Verlust der Staatsbürgerschaft per Gesetz eintreten muss. Dann müsse die Behörde – – eben mit einem Feststellungsbescheid – feststellen, dass die Voraussetzungen für die Staatsbürgerschaft nicht erfüllt werden.
Laut Nationalratswahlordnung sind alle Staatsbürger, die spätestens am Wahltag 16 Jahre alt werden, wahlberechtigt. Das maßgebliche Datum für das Vorliegen der Staatsbürgerschaft ist laut Gesetz eigentlich der Wahl-Stichtag – heuer der 25. Juli. Aber wenn während der Berichtigung der Wählerverzeichnisse der Verlust einer Staatsbürgerschaft bekannt wird, ist der Betreffende noch zu streichen. Das Richtigstellungsverfahren endet am 8. September, an diesem Tag werden die Wählerverzeichnisse richtiggestellt und abgeschlossen. Wer dann im Wählerverzeichnis steht, darf seine Stimme bei der Nationalratswahl abgeben.
Eine genaue Überprüfung ist schon deshalb geboten, weil es durchaus auch legale Doppelstaatsbürgerschaften – kraft Ehe oder Geburt – gibt. Außerdem ist der Verfassungsgerichtshof in der Frage der Aberkennung des Wahlrechts sehr streng, betonte Strejcek. In den 70er-Jahren gab es Verfahren gegen die Streichung aus Wählerverzeichnissen – damals mit der Begründung, es bestünde nur ein Nebenwohnsitz in der Gemeinde. Da stellte das Höchstgericht fest, dass eine bloße Behauptung nicht reicht für die Aberkennung des Wahlrechts – sondern eine gründliche Prüfung und Begründung der Entscheidung nötig ist.
zum Gutachten von Dr. Strejcek (cklick)
http://diepresse.com/home/innenpolitik/5263984/Innenministerium-schon-aktiv-in-Sachen-Doppelstaatsbuerger
http://diepresse.com/home/innenpolitik/5264246/Gutachten_Massenstreichung-aus-Waehlerevidenz-nicht-moeglich
http://derstandard.at/2000062364903/Doppelstaatsbuerger-Sobotka-sieht-naechste-FPOe-Wahlanfechtung
https://kurier.at/politik/inland/nr-wahl-universitaetsprofessor-strejcek-massenstreichung-aus-waehlerevidenz-nicht-moeglich/278.909.354