Österreich

Warum Österreich Wahlbeobachter braucht

13 Sep , 2016  

Kommentar der Anderen, Paul Grohma, Michael Lidauer und Armin Rabitsch
derStandard.at, 12.9.2016

Warum Österreich Wahlbeobachter braucht

Die Wiederholung der zweiten Runde der Bundespräsidentenwahl wird verschoben. Wie schon das VfGH-Urteil zur Wiederholung der zweiten Runde stellt dies einen Präzedenzfall dar, der die Notwendigkeit von Wahlreformen sichtbar macht.

Die aktuellen Geschehnisse um die Bundespräsidentenwahl zeigen, dass das österreichische Wahlsystem nicht frei von Fehlern ist. Gerade im Falle der Verschiebung der Stichwahl wird deutlich, dass die aktuelle Gesetzeslage nicht ausreichend ist, um auf Fehler und Pannen zeitgerecht zu reagieren. Innenminister Wolfgang Sobotka hat auf verstärktes Monitoring in der Zukunft verwiesen.

Die Wahlverschiebung ist im Moment die einzige Möglichkeit, grundsätzliche demokratiepolitische Prinzipien zu wahren und das Wahlrecht aller Wahlberechtigten zu schützen. Dafür sind Gesetzesänderungen notwendig, die – ebenso wie neue Kriterien zum Zeitpunkt der Auszählung der Wahlkarten – unmittelbar getroffen werden müssen. Sollten diese Punkte gemeinsam mit verstärktem Training und Controlling in der Wahladministration nicht adressiert werden, könnte dies zu einem erneuten Einspruch beim VfGH führen. Die unmittelbar anstehenden Entscheidungen sollten aber nicht den Blick auf weiterführende Wahlreformen – inklusive einer Neubetrachtung des Wahlsystems – verstellen, die, wenn nicht sofort, so doch insbesondere vor der nächsten Nationalratswahl wichtig sind. Dazu gehört auch die Etablierung einer nationalen Wahlbeobachtung in Österreich.

Keine Strafmaßnahme

Das Mittel der Wahlbeobachtung bietet sich an, um einen inklusiven Dialog zwischen Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft zu eröffnen, der es ermöglicht, das Wahlrecht funktioneller zu gestalten, es den Bedürfnissen einer im Wandel befindlichen Gesellschaft anzupassen, und – nicht zuletzt – um den internationalen Verpflichtungen Österreichs gerecht zu werden. Anders als im politischen Diskurs der letzten Wochen zu vernehmen war, ist Wahlbeobachtung keine Strafmaßnahme für „Bananenrepubliken“, sondern ein probates Mittel zur Stärkung der Demokratie und eine Chance zur Förderung parteiunabhängiger politischer Partizipation.

Es handelt sich dabei nicht um eine Kontrolle der durchführenden Instanzen, sondern um einen konstruktiven Dialog, der auf eine Optimierung der Prozesse ausgerichtet ist. Zudem können Berichte von Wahlbeobachtern herangezogen werden, um die Richtigkeit und Legitimität einer Wahl zu bestätigen. Welche Möglichkeiten der Wahlbeobachtung gibt es?

Bei der Beobachtung von Wahlen durch unabhängige Personen oder Gremien ist es wichtig, zwischen internationaler und nationaler Wahlbeobachtung zu unterscheiden. Internationale Wahlbeobachtung ist in Europa vor allem durch drei Organisationen bekannt: die Europäische Union, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den Europarat.

Während für die EU Wahlbeobachtung ausschließlich als außenpolitisches Instrument zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten außerhalb von Europa verstanden wird, ist es für OSZE und Europarat eine interne Angelegenheit, um die demokratischen Strukturen innerhalb der Mitgliedsstaaten durch einen Austausch von Wahl-Know-how und gute Praktiken zu stärken. Darüber hinaus gibt es in vielen europäischen Staaten sogenannte nationale – also einheimische – Beobachtungsorganisationen, so zum Beispiel in der Slowakei, Kroatien, Rumänien, Serbien und 14 weiteren Staaten Ost- und Zentraleuropas, die in dem Europäischen Netzwerk von Wahlbeobachtungsorganisationen (Enemo) organisiert sind.

Warum gibt es das in Österreich noch nicht?

Obwohl sich Österreich im Rahmen seiner OSZE-Mitgliedschaft zur Zulassung von Wahlbeobachtern verpflichtet hat, wurde diese Vorgabe erst 2007 in das nationale Wahlrecht übernommen – mit der Einschränkung, dass allein die OSZE solche Beobachtungsmissionen durchführen könne. Nationale Wahlbeobachtung ist laut österreichischer Wahlordnung trotz Empfehlungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa noch nicht vorgesehen.

Zwar kann durch Wahlbeobachter nicht verhindert werden, dass Wahlkarten falsch produziert werden oder dass Beisitzer schlecht ausgebildet sind oder eigenmächtig agieren. Aber sie bietet ein zusätzliches Instrument, um solche Mängel schneller zu erkennen, diese in die öffentliche Debatte einzubringen und Wahlordnungsreformen auf der Grundlage empirischer Daten einzufordern. Bereits 2013 hat die Initiative wahlbeobachtung.org in Gesprächen mit dem Wahlexpertenteam von OSZE/ODIHR und der Bundeswahlbehörde auf die fehlende rechtliche Grundlage österreichischer Wahlbeobachter hingewiesen. Anlässlich des Verlaufs der Bundespräsidentenwahl erneuert die Plattform ihre Forderung und plant die Veröffentlichung ihres unabhängigen Expertenberichts nach der Wiederholung der Stichwahl.

Bericht für die Parteien

Der Bericht soll Empfehlungen zur Verbesserung des Wahlprozesses enthalten und wird den im Parlament vertretenen Parteien überreicht. In „20 Fragen und Antworten zur Bundespräsidentenwahl“ analysiert die Gruppe aktuelle Kontroversen im Wahlrecht und bietet weitere Informationen auf ihrer Website.

(Paul Grohma, Michael Lidauer, Armin Rabitsch, 12.9.2016)

Paul Grohma ist seit 2003 Wahlbeobachter für die Europäische Kommission und OSZE/ODIHR und leistete technische Unterstützung bei Wahlen im Rahmen der Vereinten Nationen.

Michael Lidauer arbeitet seit 2003 international zu Wahlprozessen, zuletzt für die International Foundation for Electoral Systems (Ifes) in Burma.

Armin Rabitsch hat sich in den letzten 15 Jahren im Rahmen von Ifes, UNDP, der EU und OSCE/ODIHR engagiert, um Wahlordnungen und Wahlprozesse zu optimieren und demokratische Strukturen zu stärken

Link wahlbeobachtung.org – derstandard.at/2000044256108/Warum-Oesterreich-Wahlbeobachter-braucht